KIRCHEN UND KINO IM OSCAR
Das Projekt Filmtip Kirchen und Kino:
Ein Verhältnis zwischen heftiger Ablehnung und gesuchter Nähe. Dabei sind die Berührungspunkte größer als angenommen, denn zentrale Momente eines jeden Lebens: Liebe, Hoffnung, Treue, Hingabe, Vertrauen, Leiden, Sterben, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Lebens- und Liebessehnsucht sind die Themen des Films, zugleich aber auch Kernthemen christlichen Glaubens. Gründe genug, dass die Christen und der künstlerisch autonome Film sich gegenseitig wahrnehmen und ihr jeweils eigenes Wissen, wie denn Leben gelingen könnte, ins Gespräch bringen.
Kirchen + Kino. Der Filmtipp, ein ökumenisches Projekt, präsentiert Filme, die von der evangelischen und katholischen Filmarbeit in Deutschland und der Schweiz als Film des Monats bzw. als Kinotipp der katholischen Filmkritik hervorgehoben wurden. Es sind überzeugende Filme, die unabhängig von ihrer jeweiligen geistigen Beheimatung die Sehnsucht nach dem Anderen, nach einem ›Mehr des Lebens‹,
aufrecht erhalten.
Der Filmtipp zeigt gelungene Filme verschiedener Genres.
Der Filmtipp möchte anregen zum genauen Hinsehen und Lust am Sehen vermitteln, aufklären und zugleich pures Kinovergnügen bereiten.
Lassen Sie sich ein auf die Welt und die Welt des Kinos.
The Zone of Interest
am 26. Januar um 18:00 uhr
Land/Jahr | USA/Großbritannien/Polen 2023 |
Regie | Jonathan Glazer |
Darsteller | Sandra Hüller, Christian Friedel, Freya Kreutzkam, Ralph Herforth, Max Beck, Ralf Zillmann u.a. |
Länge | 105 Minuten |
Altersfreigabe | Sehenswert ab 14 |
Die Familie Höß lebt im Sommer 1943 am Rande von Auschwitz in einer Villa und blendet das furchtbare Geschehen jenseits der KZ-Mauern aus. Aus der Diskrepanz zwischen biederer Bürgerlichkeit und dem Wissen um den industriell organisierten Massenmord erwächst eine schwer erträgliche Spannung, die diesen mit zwei Oscars ausgezeichneten Film zu einem Ereignis macht.
In den 1940er-Jahren bewohnt die Familie des KZ-Kommandanten Rudolf Höß in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vernichtungslager ein Haus mit einem großen Garten. Als Höß versetzt werden soll, droht das Familienidyll zu zerbrechen. Seine Frau weigert sich, ihr »Traumhaus« zu verlassen. Das historische Drama fußt auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis und seziert in nüchternen, undramatischen Bildern die verstörende Normalität der Täter, die sich im Schatten der Todesfabrik ein Paradies erschaffen haben. Die Radikalität und Wucht des schockierenden Films resultieren aus seinen schwer erträglichen Kippbildern zwischen Alltag und Schrecken, in die die Realität der Vernichtung nur über die Tonspur dringt.
Kinotipp der Katholischen Filmkritik (Februar 2024)
Film des Monats der Jury der Evangelischen Filmarbeit (März 2024)
Morgen ist auch noch ein Tag
am 23. Februar um 18:00 Uhr
Land/Jahr | Italien 2023 |
Regie | Paola Cortellesi |
Darsteller | Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano, Emanuela Fanelli, Giorgio Colangeli u.a. |
Länge | 119 Minuten |
Altersfreigabe | Sehenswert ab 14 |
Italien, 1946.
In einem Wohnblock in Rom lebt eine dreifache Mutter in einer gewalttätigen Ehehölle und träumt davon, tief verinnerlichte patriarchale Strukturen aufzubrechen. Mit enormen Einfallsreichtum gelingt Multitalent Paola Cortellesi ein flammendes Plädoyer für Selbstbestimmung, dass in Italien zum Kassenschlager avancierte.
In einem römischen Wohnblock der Nachkriegszeit fristet die Ehefrau eines brutalen Mannes und Mutter von drei Kindern ein entbehrungsreiches Dasein, das geprägt ist von Arbeit, Verantwortung und Gewalt. Bis ein mysteriöser Brief eintrifft, der ihr den Mut gibt, alles über den Haufen zu werfen und sich ein besseres Leben zu wünschen. Das Regiedebüt der Multikünstlerin Paola Cortellesi, angesiedelt zwischen neorealistischem Drama, Musical und Komödie, proklamiert keinen Feminismus mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt von den vielen kleinen Schritten auf dem langen Weg zur Emanzipation. Mit einem lakonischen, schulterzuckenden Humor gelingt ihr einer der erfolgreichsten Filme der italienischen Filmgeschichte.
Film des Monats der Jury der Evangelischen Filmarbeit (04 2024)
Green Border
am 23. März um 18:00 Uhr
Land/Jahr | Polen/Frankreich/Tschechien 2023 |
Regie | Agnieszka Holland |
Darsteller | Haitham Omari, Luzer Twersky, Yussuf Abu-Warda, Makram J. Khoury u.a. |
Länge | 152 Minuten |
Altersfreigabe | Sehenswert ab 16 |
Die Regisseurin Agnieszka Holland wirft in ihrem Drama bedrückende Schlaglichter auf die Situation an der „grünen Grenze“ zwischen Polen und Belarus, über die Geflüchtete in die EU gelangen wollen. Dabei stellt sie die radikale Frage, wie weit wir zu gehen bereit sind bei der Abwehr von Menschen, deren Interesse ein besseres Leben oder das Überleben ist.
An der Grenze zwischen Belarus und Polen wird die Flucht für eine syrische Familie sowie eine Frau aus Afghanistan angesichts der Brutalität, mit der die Migranten auf beiden Seiten zurückgetrieben werden, zur grotesken Höllenfahrt. Das in Schwarz-weiß gedrehte, multiperspektivisch angelegte Drama ist ganz auf die Vorgänge in den Wäldern entlang der Grenze konzentriert und zeichnet die Aushöhlung von Menschenrechten mit aller Härte nach. Die harsche Anklage der europäischen Asylpolitik vollzieht sich filmisch als unnachgiebiger ästhetischer Großangriff. Durch den Blick auf das zivilgesellschaftliche Engagement von polnischen Aktivistengruppen endet der Film dennoch auf einer hoffnungsvollen Note.
Kinotipp der Katholischen Filmkritik (Februar 2024)
Film des Monats der Jury der Evangelischen Filmarbeit (Februar 2024)
The Quiet Girl
am 27. April um 18:00 Uhr
Land/Jahr | Irland 2022 |
Regie | Colm Bairéad |
Darsteller | TCarrie Crowley, Andrew Bennett, Catherine Clinch, Michael Patric, Kate Nic Chonaonaigh u.a. |
Länge | 96 Minuten |
Altersfreigabe | Sehenswert ab 14 |
Im Frühjahr 1981 wird ein Mädchen zu Verwandten aufs Land gebracht. Das schweigsame Kind soll hier den Sommer verbringen, ohne ihren Eltern zur Last zu fallen. In der Obhut der Pflegefamilie blüht sie langsam auf und entdeckt ein ganz neues Leben. Ein wunderschöner Film über die Bedeutung von Geborgenheit und Vertrauen.
Als erneut Nachwuchs ins Haus steht, wird ein von der Familie vernachlässigtes irisches Mädchen über die Sommerferien zu Verwandten geschickt. Dort erfährt es eine Wärme und Zuneigung, die es aus seiner schmerzhaften Erstarrung befreien. Und doch gibt es auch in der Idylle der irischen Provinz Schmerz und Verlust. Der leise, zurückhaltende Film über eine Kindheit und die Poesie eines Sommers benötigt nur wenige Dialoge und nähert sich mit sensibler Bildsprache der Wahrnehmung seiner Hauptfigur an. Wohltuend unaufdringlich fügt das Drama dem Kino eine seltene Erzählung über die Perspektive eines jungen Mädchens hinzu.
Kinotipp der Katholischen Filmkritik (November 2023)